Bauer sucht Frau

Endlich wieder kollektive Aufregung. RTL hat in dieser Woche eine neue Staffel des Quotenbringers „Bauer sucht Frau“ gestartet. Und die Medien springen unter dem Deckmantel der Empörung willig auf das „Erfolgsformat“ mit den oftmals minderbemittelten Landbewohnern an.

Offensichtlich wollen auch sie mit der Sendung Quote machen. Interessant ist jedoch die Art und Weise, wie sie das tun. Denn fast alle Medien, Spiegel Online genauso wie der tiefe Westen, greifen mit zwei einander küssenden Frauen das gleiche Pressebild des Kölner Senders als Aufmacher ihrer Artikel heraus.

Sie wählen damit ein Bild, das die lesenden Normalbürger – oder sollen wir sie Spießer nennen – vermutlich besonders gut zum Klicken animiert. Der Sender RTL und die anderen Medien werden natürlich anführen, mit der Sendung und dem Bild „nur“ die Lebensrealität abzubilden. Genauso wie es in den vergangenen Staffeln mit männlichen Homosexuellen bereits vollzogen wurde.

Das halte ich – gelinde gesagt – für verlogen.

Denn gerade etwas Sexuelles sorgt – neben Kindern und Tieren – besonders gut für die gewünschte Aufmerksamkeit. Vor 45 Jahren sorgte das Popmusical „Hair“ mit diesem Trick für den gewünschten Skandal. Zur Uraufführung der deutschen Fassung in München wälzten sich die Hauptdarsteller Claude, Sheila und Berger, in einer zarten Andeutung des Liebesspiels, zum Ende des ersten Akts dem Bühnenrand entgegen.

„Infam, ekelhaft und abstoßend“, so schrien kirchliche Würdenträger und die konservative Presse, nicht ohne die Details ausgiebig zu beschreiben. Die Münchener Staatsanwaltschaft und das Ordnungsamt nahmen Ermittlungen auf. In langen Diskussionen wurde eine Einigung gefunden, dass die Protagonisten auf der Bühne ihr angedeutetes Liebesspiel mit einer Decke tarnen.

Der Weg zu diesem Kompromiss wurde von der Presse mit der gleichen Verlogenheit begleitet, wie heute „Bauer sucht Frau“. Als die Theatermacher auf der Decke werbewirksam den Hinweis „Zensur“ anbrachten, ging das Spiel in die nächste Runde. Auch dieses Drumherum sorgte dafür, dass das aus heutiger Sicht eher laue Musical ein großer Erfolg wurde.

Skandal geht immer!

Zumal das Motiv der sich küssenden Frauen den Vorteil hat, mehrdeutig zu sein. Denn für genug Betrachter bietet die Darstellung Projektionsfläche für „geheime“ Wünsche. Schließlich gehört das „Liebesspiel“ zweier Frauen nicht ohne Grund zum Standardprogramm des Pornogewerbes.

Ein Gewerbe, das wie kaum ein anderes seiner Kundschaft zuhört, um stets das optimale Produkt bieten zu können. Ein Schelm, wer jetzt an RTL denkt, wo in den Anfangstagen des Programms regelmäßig mit Liebesgrüßen aus der Lederhose Zuschauer gelockt wurden.

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