Otto, bitte leuchte mir!

Sechs Jahre hat es gebraucht, bis das „Geleucht“ des Künstlers Otto Piene die Halde Rheinpreussen in Moers offiziell in sein davysches Licht tauchen durfte.

Otto, weißt du noch? Kannst du dich erinnern? „Zéro ist die STILLE. Zéro ist der Anfang. Zéro ist RUND. Zéro dreht sich (…).“ Du und deine Künstlerfreunde Heinz Mack und Günther Uecker, ihre wart ganz neu, damals 1957 in Düsseldorf, als ihr eure ZERO-Gruppe gründetet. Ihr verfasstet energiegeladene Flugblätter, Manifeste und sogar eine Zeitung mit dem Namen ZERO. Den Staub der Informellen Malerei und den Muff der 50er Jahre bekämpftet ihr mit Feuer, Licht und vibrierender Technik.

Gefesseltes Licht

Gestern, fünfzig Jahre später, karrte ein kleine Armada von Bussen viele Menschen die Rheinpreussen Halde hinauf.

Weiße Zelte standen in Reih und Glied. Ein scharfer Wind zerrte an Haaren und Manuskripten. Es gab Bier, Schnittchen und Bergmannschöre. Reden ehrten dich und deinen roten Turm aus Stahl.

Dem Bergmann und seiner oft lebensgefährlichen Arbeit gilt deine neue Landmarke, die nun in Form einer riesigen Grubenlampe und 35 Scheinwerfern zu ihrem Fuße den Nachthimmel weithin sichtbar in einen glühenden Schimmer taucht.

Du hast eine Lampe monumentalisiert und sie in eine architektonische Skulptur verwandelt. Otto, ist das der Feuermaler Piene, der
einst die elementaren Energien der Natur beschwor? Ein Blow Up? Warum kein Lichtballett. Als Groß-Skulptur ist die Lampe selbst nun zwecklos, so dass der Betrachter ihre formalen Qualitäten entdecken kann. Doch du tauchst sie dann wiederum in ein Licht, das nicht künstlerisches Material im ZEROschen Sinne ist, sondern lediglich im Dienste eines Symbols steht.

Neubesinnung oder Rückschritt

Jedoch, du hast den Gedanken des Denkmals aufgenommen und auf deine ganz eigene Weise umgesetzt. So sieht es Christoph Brockhaus, der in einem Gespräch mit ruhrmentar deutlich machte, dass dein Geleucht ganz tief an die Wurzeln der Menschen greift, die du mit ihm würdigen möchtest. 150 Jahre Bergbautradition finden hoch oben auf der Halde Rheinpreussen eine Art Gedenkstätte, an der die Kumpel Andacht halten können. Das Grab ihres Berufsstandes finden sie schließlich nirgends.

Mit dem Feuer und der Kohlenglut, dem roten Licht, hältst du tatsächlich den Faden zu deinen "gebrannten Bildern" in der Hand. Christoph Brockhaus sieht die Verbindung deutlich. Als er dich Ende der neuziger Jahre einlud, die Halde zu gestalten, war er neugierig. Er wollte wissen, wie wohl ein Künstler, der in den 60er Jahren das pechschwarze Ruhrgebiet erlebte und verarbeitete, heute mit dem Wandel umgeht.

Jeder Künstler entwickelt sich im Laufe der Zeit, sucht neue Wege, erforscht neue Möglichkeiten. Eine neue Aufgabe in einem kaum wieder zu erkennenden Umfeld fordert natürlich eine künstlerische Neuorientierung. Sie muss sich direkt auf den Ort beziehen und auf ihn antworteten. Und du, der Avantgardist, du hast dich zurückbesonnen. Dein Rückblick gilt nur ein bisschen deiner eigenen Kunst der 60er Jahre, dafür aber um so mehr deinem Kollegen Claes Oldenburg, an dessen Objekte dein Denkmal unmittelbar erinnert.

Zurück zum Null-Punkt 

Damals wolltet ihr bei ZERO, also bei Null anfangen. Ihr wolltet experimentieren. Alles war schon gemalt, also ersetztet ihr die Farbe durch Nägel, Aluminiumplatten oder Spiegel. Mit Lichtobjekten und dynamischen Konstruktionen habt ihr die Fläche verlassen und euch den Raum erobert.

Der monochrome Yves Klein und Lucio Fontana inspirierten euch. Als Avantgarde der 50er und 60er Jahre seid ihr in die Geschichte eingegangen. Uecker mit seinen Nägeln, Mack mit seinen Licht-Dynamos und du mit deinen Feuer-Bildern. Heute bist du kein Revoluzzer mehr, lieber Otto. Doch gestern machte dein Geleucht mehr Menschen glücklich, als es eine neue künstlerische Revolution je vermocht hätte.

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