Selbstbespiegelung auf allerhöchstem Niveau

Der Hamburger Star-Übersetzer, Schriftsteller, Schauspieler und Selbstdarsteller Harry Rowohlt lud am Freitag zu einer Lesung in die Gelsenkirchener „Kaue“.

Nicht selten zieht sich sein Programm über vier Stunden. Whisky und Filterlose gehören ebenso zu seinen ständigen Begleitern, wie eine gehörige Portion Eitelkeit. Harry Rowohlts spitze Zunge hat Erfolg.

Tosender Applaus begleitet Harry Rowohlt auf die Bühne der rappelvollen Halle, in der ein nahezu tropisches Klima herrschte. Auf seinem Tisch wartete bereits die obligatorische Flasche Whisky, eine Flasche Wasser zum Nachspülen und ein Päckchen Gauloises „ohne“.  Bitte verzeihen Sie mir Herr Rowohlt, wenn es doch Gitanes waren, denn selbst mit dem ordentlichen Tele im Gepäck, konnte ich das beim besten Willen nicht genau erkennen.

"Dieser Mann macht noch Comedy mit Intelligenz und Geist.", so der pensionierter Pastor Kratzenstein aus Herne, der sich auf einem der reservierten Ehrenplätze niedergelassen hatte. Als enger Freund des seligen Jürgen von Manger hat der Kirchenmann in der Gelsenkirchener Kaue wohl so etwas, wie ein Hausrecht auf Lebenszeit. "Essen Sie mal! Das können Sie gebrauchen." Ein Karamell-Bonbon wechselte den Besitzer. Die Autorin bedankte sich artig, wollte aber wirklich nicht glauben, dass sie sich noch einer solch kindlichen Aura erfreuen darf.

Aus seiner kultverdächtigen Kolumne "Pooh's Corner – Meinungen eines Bären mit sehr geringem Verstand" musste Harry Rowohlt natürlich lesen. Seit 1998 erscheint sie in sehr unregelmäßigen Abständen im Feuilleton der "Zeit". Wer allerdings dem Irrglauben erlegen war, Rowohlt würde aus seinen Texten mehr als einen Absatz im Zusammenhang vortragen, verhedderte sich hoffnungslos in einem engen Netz von Randbemerkungen und Anekdoten. In teils urkomischen Assoziationsketten reihte der Hamburger seine Gedanken zu Problembären, zu dem Schwaben an sich und zu vielen kleinen und großen Alltäglichkeiten aneinander.

Aber hauptsächlich sprach Harry Rowohlt über Harry Rowohlt. Er erläuterte seine Kampf-Sauf-Programm für den Abend, pries seine Bücher an, frotzelte über sein Verhältnis zur Presse und seine Rolle in der "Lindenstraße". 

Schade, dass Pooh's Corner schon so lange ausbleibt. Wenn ich mich recht erinnere, ist die letzte Kolumne 1999 erschienen. Ich habe sie immer gern gelesen und mich oftmals köstlich amüsiert. Vielleicht sollte Herr Rowohlt sich weniger auf unappetitliche Trinkgewohnheiten und Fresse-Vermöbeln auf St. Pauli konzentrieren, dafür aber den Pooh mal wieder richtig vom Leder ziehen lassen. Schön wär's.

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